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Transparenz wird salonfähig

30.10.2023 19:53 – Thomas Angeli

Hohe Ausgaben für Kampagnen, transparente Politiker:innen und ein Vorschlag mit Potenzial: Das Lobbywatch-Fazit zu den eidgenössischen Wahlen.

Wir haben Zuwachs bekommen, und wir freuen uns sehr: In den Wochen vor den Wahlen ist unsere Mitgliederzahl um mehr als zehn Prozent gewachsen. Ein herzliches Willkommen an unsere neuen Mitstreiter:innen für mehr Transparenz in der Politik! Die Wahlen haben uns jedoch nicht nur mehr Unterstützer:innen, sondern auch einige Erkenntnisse gebracht. Kleiner Spoiler: Die meisten sind durchaus erfreulich.

Erkenntnis 1: Transparenz bewegt

Wer in der Schweizer Mediendatenbank in den zwei Monaten vor den Wahlen vom 22. Oktober nach den Stichworten «Transparenz» und «Wahlen» suchte, hatte viel zu lesen. Nicht weniger als 941 Einträge finden sich dazu. Dass Kandidierende, Parteien und Verbände erstmals ihre Budgets für den Wahlkampf offenlegen mussten, stiess in der Öffentlichkeit und bei den Medien auf reges Interesse. Lobbywatch war in der Diskussion präsent, unter anderem mit der Website moneyinpolitics.ch, die wir zusammen mit dem WAV Recherchekollektiv, dem Recherchenetzwerk investigativ.ch und opendata.ch entwickelt und umgesetzt haben. Dank eines erfolgreichen Crowdfundings können wir die Website in den kommenden Monaten auch weiterentwickeln und die vorhandenen Daten mit zusätzlichen Informationen verknüpfen.

Erkenntnis 2: Ein hohes Wahlkampfbudget ist kein Erfolgsgarant

12’614’245 Franken: So hoch waren die Budgets der Kandidierenden der FDP. Dazu kamen Kampagnen in der Höhe von rund 1,9 Millionen Franken, von denen die FDP und ihre Kandidat:innen mitprofitieren. Die Freisinnigen hatten damit das höchste Budget für die Wahlen, noch vor der SVP, die 11’826’871 Franken budgetiert hatte (und ebenfalls von weiteren Kampagnen mit rund 1,9 Millionen Budget profitierte).

Die FDP landete damit in der Gunst der Wählerinnen und Wähler haarscharf auf Platz 3, die SVP schwang bekanntlich obenaus. Auf Platz 2 in der Gunst der Wählenden findet sich die SP, die über wesentlich weniger Geld verfügte, nämlich knapp 7,8 Millionen. Auch bei den Kandidierenden zeigte sich, dass ein hohes Budget kein Erfolgsgarant ist: Kandiaten-Krösus Donato Sconamiglio /EVP, ZH), der mit 370’972 Franken über die meisten Mittel verfügte, schaffte die Wahl ebensowenig wie Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher (FDP, ZH), der 280’311 Franken in den Wahlkampf investierte. Von den zehn Politiker:innen mit den höchsten Budgets schafften nur gerade fünf die Wahl.

Erkenntnis 3: Transparenz wird salonfähig

117 von 208 wiederkandidierenden Parlamentarierinnen und Parlamentariern legten gegenüber Lobbywatch alle ihre Einnahmen aus Tätigkeiten bei Verbänden, in Beiräten oder Verwaltungsräten offen. Das sind stolze 56 Prozent und damit deutlich mehr als vor den letzten Wahlen, als nur ein Drittel der Wiederkandidierenden die Einkünfte deklarierte. Lobbywatch wird in den kommenden Monaten die Interessenbindungen der Neugewählten recherchieren und dann auch ihnen die Gretchenfrage stellen: «Sag, wie hast du’s mit der Transparenz?». Oder, nüchterner formuliert: «Bitte geben Sie an, wie hoch Ihre Einkünfte aus den einzelnen Interessenbindungen sind.» Wir sind gespannt auf die Antworten.

Erkenntnis 4: Transparenz wird salonfähig, selbst im Ständerat

Bei der Transparenzliste von Lobbywatch hatten die Ständerätinnen und -räte nicht eben geglänzt. Nur rund ein Drittel der Wiederkandidierenden aus dem Stöckli deklarierten ihre Einkünfte. Wenige Tage vor den Wahlen machte jedoch die Staatspolitische Kommission des Ständerats einen überraschenden Schritt: Sie hiess eine parlamentarische Initiative der Genfer Ständerätin Lisa Mazzone (Grüne) gut, wonach Ratsmitglieder künftig ihre Einnahmen in Bandbreiten angeben müssten. Mazzone schlägt dafür 7 Kategorien vor: Die tiefste würde dabei 0 bis 6000 Franken betragen, in der höchsten müssten Einnahmen über 200 000 Franken angegeben werden. Bis zur Einführung einer solchen Regelung ist es noch ein weiter parlamentarischer Weg, aber wir stellen mit Freuden fest: Da tut sich etwas – endlich.